Es gibt sie, die Idealvorstellung eines Berges. Isoliert muss er stehen, sein Gipfel sollte andere überragen und seine Gestalt die ebenmäßige Schönheit einer Pyramide im Zackenmeer der Bergsilhouette haben. Wie der Hochvogel, der sicher zu den bekanntesten und reizvollsten Erhebungen im Umkreis von Oberstdorf gehört. Keine zwölf Kilometer Luftlinie entfernt, präsentiert sich der markante, 2.592 Meter hohe Berg im Hauptkamm der Allgäuer Alpen, genau auf der Grenze zu Österreich.
1767 soll ihn bereits ein Hirtenjungen bestiegen haben, bevor dem Apotheker Trobitius der erste touristische Gipfelgang im Sommer 1832 gelang. Allgäu-Pionier Hermann von Barth schrieb 1869 in seinem Bericht „Eine Nacht auf dem Hochvogel“ auch ein paar Worte über das damalige, gut dreieinhalb Meter hohe Gipfelkreuz, welches das Schwarzwasser- und das Ostrachquellgebiet beherrsche.
Im September 1920 dann tat sich etwas Ungewöhnliches auf dem Gipfel: Angehörige des Kemptener Gebirgsjäger-Bataillons errichteten zu Ehren der gefallenen Gebirgssoldaten auf dem Hochvogel ein neues, gleich zehn Meter hohes und fünfzehn Zentner schweres Kreuz.
Mehrere tausend Reichsmark waren dafür gespendet worden. Was muss das für ein Kraftakt gewesen sein, bis es schließlich hoch oben auf dem Berg stand? Und wer hätte damals ahnen können, dass diese riesige Landmarke ein Opfer der Folgen des Zweiten Weltkriegs würde? Im Herbst 1947 nämlich zerschellte ein Flugzeug der US-Air-Force unterhalb des Gipfels, und durch die Druckwelle der gewaltigen Explosion wurde das Kreuz trotz eines zwei Meter tiefen Betonfundaments umgerissen! Im Jahr darauf übernahm die Alpenvereins-Ortsgruppe Bad Hindelang die Patenschaft und stellte es wieder auf.
Foto: DAV Allgäu-Immenstadt
Nach zwei folgenschweren Blitzeinschlägen bekam der Hochvogel zuerst 1972 und 30 Jahre später nochmals ein neues Gipfelkreuz.
So wurde im August 2002 ein aus Holz und Stahl erbautes Kreuz per Helikopter hochtransportiert und im Juli 2003 bei einer Bergmesse geweiht. Es erinnert an die Gefallenen der beiden Weltkriege, an die am Hochvogel Verunglückten und an frühere Sektionsmitglieder, die mittlerweile verstorben sind.
Der Hochvogel macht übrigens seit einiger Zeit wegen eines zu erwartenden großen Felssturzes von sich reden, der sein Erscheinungsbild sicherlich verändern wird und der wohl erst einmal eine komplette Sperrung zur Folge hätte.
Gipfelkreuz Hochvogel - Foto: Jürgen Schafroth
Der Berg sei aber weiterhin ein lohnendes Gipfelziel auch von Oberstdorf aus, betont nicht nur Thomas Dempfle von der Bergschule OASE Alpin: „Wir bauen den Hochvogel, wo immer es geht, in die Tourenplanung für unsere Gäste mit ein, weil er ein so toller Berg ist und man ihn lieber jetzt, noch vor dem Felssturz, angehen sollte.“ Zwar könne man ihn von Oberstdorf aus nicht als Tagestour machen und müsse auf dem Prinz-Luitpold-Haus übernachten, aber das sei eigentlich ein Vorteil, meint der Oberstdorfer, schon weil die Hütte toll geführt werde. „Sich dort aufzuhalten ist wirklich eine Bereicherung“, schwärmt Dempfle, „und auch deshalb besuchen wir den Hochvogel auf unserer ‚Transalp für Könner’ oder bei der Allgäu-Durchquerung und sind so fast jede Woche dort oben.“ Denn abseits der Gefahrenzone kann der Hochvogel vom Prinz-Luitpold-Haus aus nach wie vor ohne Sorge bestiegen werden!
Die älteste Schutzhütte in den Allgäuer Alpen, dient als Ausgangspunkt zur Besteigung des Hochvogels, einem der bekanntesten Gipfel in den Allgäuer Alpen