Es ist wie im richtigen Leben! Für anspruchsvolle Projekte braucht es ein eingespieltes Team, eine funktionierende Partnerschaft. Hat eine Seilschaft am Berg diese Voraussetzungen, sind die Kletterer obendrein noch fit und verfügen über ausgefeiltes bergsteigerisches Können, sind die Erfolge vorprogrammiert. Ein solches Traumpaar in der Wand bildeten Ali Kleemaier aus Kempten und der Tiroler Leo Schuster aus Nesselwängle im Tannheimer Tal. Sie waren vor allem in den 1950er-Jahren die absoluten Spitzenkönner und weit über die Grenzen ihrer Heimat hinaus bekannt. Erstbegehungen, die heute noch zu den Extremklassikern gehören, gehen auf ihr Konto. Besonders Ali Kleemaier (1928 – 1992) brachte viel neuen Schwung in die Allgäuer Kletterlandschaft. Er eröffnete etliche Führen im damals obersten Schwierigkeitsgrad, die aufgrund ihrer Anforderungen bei potentiellen Wiederholern fast gefürchtet waren.
Winter- und auch sehr schwere Alleinbegehungen bereicherten das Tätigkeitsfeld des gleichfalls als Barfußkletterer bekannten Kleemaier. In Leo Schuster, Jahrgang 1933, fand er einen ebenbürtigen Partner. Am Nikolaustag 1953 gelang dem Erfolgsduo zusammen mit weiteren Bergfreunden in der Daumengruppe bei Oberstdorf die Durchsteigung der schwierigen Schneck-Ostwand im Winter. Dabei gehörte die Wand gewiss schon bei ihrer Erstbegehung zu einer der allerersten Routen im lupenreinen VI. Grad, dem damals höchsten Schwierigkeitsgrad, als sie im Sommer 1922 von dem Oberstdorfer Phillip Risch und seinen Gefährten eröffnet wurde. Sie war sogar so schwer, dass Wiederholungsversuche scheiterten und Unglücksfälle und falsche Berichte über ihre Brüchigkeit zu einem Mythos des Schreckens führten. Erst vierzehn Jahre nach der Erstbegehung sollte es der Oberstdorfer Seilschaft Ignaz Vogler und Otto Niederacher gelingen, zum zweiten Mal durchzukommen.
Was es heißt, die Schneck-Ost bei Schnee und Eis anzugehen, weiß er also ganz genau. „Die Ostwand des Schneck wird in der kalten Jahreszeit so gut wie nie geklettert“, berichtet er. „Zum Schneck muss man sehr weit laufen, weil so früh am Morgen noch kein Bus fährt. Man muss also unheimlich früh aufstehen, und so geht es dann von Hinterstein mit den Skiern los.“ Plane man das Ganze aber richtig, sei also sehr zeitig, bei gutem Wetter und nicht gerade nach einem Schneefall unterwegs, habe man sogar ganz passable Bedingungen, hebt Schafroth hervor. „Durch die Morgensonne, die in der Wand ist, klettert man dann fast wie im Sommer. Nur nach oben heraus, im flacheren Bereich, wird es schneeig, und oft ist die Ostwand auch überwechtet.“ Deshalb sei es gescheiter, durch die Wand und der Aufstiegsroute nach wieder abzuseilen, anstatt sich oben über den Grat zu kämpfen, rät Jürgen Schafroth außerdem. „Denn ist man zu spät dran, wird es dort sehr schattig und in der Folge natürlich sehr kalt.“ So ist die Schneck-Ostwand im Winter, aber auch im Sommer nach wie vor eine Unternehmung, die den ganz besonders erfahrenen Alpinisten vorbehalten bleibt!