Ramona, wie bist Du denn zur Landwirtschaft gekommen?
„Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen, wo mein Opa einen Selbstversorgergarten und Kleinvieh hatte. Ich wollte immer etwas Sinnvolles tun und merkte während meines Studiums der sozialen Arbeit, dass es mir zu kopflastig war. Ein Monat auf einem Ziegenhof in Spanien erdete mich und zeigte mir die Bedeutung der Landwirtschaft. Nach meinem Studium begann ich eine Landwirtschaftslehre auf einem Demeter-Hof, verbrachte einen Sommer auf der Alp in der Schweiz und ging drei Jahre auf Wanderschaft als Landwirtin. Danach vertiefte ich mein Wissen an der Meisterschule für Ökolandbau, wo ich auch meinen Mann kennenlernte und schließlich hier am Hof landete.“
Bei unserer Ankunft erfahren wir, dass der Arbeitstag und der Rhythmus stark von den Milchkühen bestimmt werden und täglich vielseitige Aufgaben anfallen. Um 05:30 Uhr beginnt die Stallarbeit – melken, füttern, misten. Später am Morgen wird die gesamte Milch direkt zu Käse verarbeitet. Wir kommen gerade richtig, um einen Blick in die Käseküche zu werfen, wo der Käsekessel vollläuft.
Die Milch wird nur einmal gepumpt, um sie besonders schonend zu behandeln, erklärt uns Ramona. Für ein Kilo Bergkäse braucht man 10 Liter Milch, ein Laib wiegt 20 bis 25 kg. Die frischen Käselaibe werden täglich von Hand gepflegt – herausgenommen, geschmiert und wieder ins Regal gelegt. Ramonas Schwager Hannes merkt das, wenn er aus dem Keller kommt.
TIPP: Wer am Bergbauernhof Besler vorbeiwandert, kann durch das Fenster der Sennküche schauen und mit etwas Glück am Vormittag einen Blick aufs Käsen erhaschen. Viele Wanderungen führen durch Schwand, z. B. die Runde ins Stillachtal.
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Über den Tag hinweg fallen Aufgaben wie Kühe austreiben, Heuen, Weidepflege, Maschinen reparieren, Käse verpacken oder Büroarbeit an. Abends geht es noch einmal in den Stall. Manchmal müssen nach Feierabend dringende Reparaturen erledigt oder eine Kuh beim Kalben betreut werden.
Die Familie ist ein eingespieltes Team. „Mittlerweile leben hier drei Generationen – Jung, Mittel, Alt, genau wie im Käsekeller“, sagt Ramona und lacht. Tobias, ihr Mann, ist Landmaschinenmechaniker und Landwirt und kümmert sich um Vieh, Alpe und Maschinen. Hannes, ihr Schwager, ist Molkereifachmann und Herdenmanager. Kathi, die Schwägerin, ist Tierheilpraktikerin und betreut Herde, Marketing und Onlineshop. Hans, der Schwiegervater, ist Landwirt mit Leidenschaft und übernimmt Lieferfahrten. Wiltrud, die Schwiegermutter, betreut mit viel Liebe die Ferienwohnungen.
Ramona selbst übernimmt die Büroarbeit, Kuhpatenschaften und den Käseautomaten, organisiert den Online-Versand und hilft, wenn Zeit bleibt, draußen mit.
Naturschutz und Tierwohl haben einen hohen Stellenwert
„Für uns ist es wichtig nachhaltig und achtsam mit unseren Tieren, Pflanzen und Böden umzugehen. Wir leben von der Natur und mit der Natur.“ Das hat für sie etwas mit Dankbarkeit und Demut zu tun.
Wir schlendern über den Hof und betrachten den Bergblick und die saftig grünen Wiesen. Ohne die Natur und die Tiere könnten wir nicht so leben wie wir es aktuell tun. Dafür liebt die Familie ihre Arbeit und ihr Zuhause am Hof, und sieht sehr viel Sinn darin gesunde und hochwertige Nahrung für andere Menschen bereit zu stellen. Ramona appelliert daran, mit allem was uns die Natur gibt sorgsam umzugehen, damit wir es auch für nachfolgende Generationen erhalten können: „Wenn wir Menschen die Natur nicht wertschätzen entziehen wir uns selbst die Lebensgrundlage,“ sagt Ramona Besler.
Dazu brauchen wir die Alp- und Landwirtschaft
Neben der Erzeugung gesunder, natürlicher und regionaler Lebensmittel, die schon bei der Fütterung der Tiere beginnt, sieht die Familie die Aufgabe der Landwirtschaft auch in der Zusammenarbeit mit der Natur. In Kreisläufen denken und wirtschaften, fruchtbare Flächen pflegen und ökologisches Gleichgewicht erhalten. Das trägt zur Artenvielfalt bei und auch andere Tiere wie Insekten und Vögel profitieren davon.
Vom Hof der Beslers schauen wir direkt auf das Panorama des Allgäuer Dreigestirns, ins Stillachtal und in die Richtung des Wandergebiets am Fellhorn. Während Ramona erklärt und oben am Wald ein Reh vorbeihuscht begreifen wir einmal mehr, dass Alp- und Landwirtschaft auch für die Offenhaltung der Landschaft, also unsere schönen Wanderwege, Blumenwiesen und Naturschutzflächen verantwortlich ist, denn ohne die Pflege der Bergwiesen würde alles zu wachsen.
Aus ihrer Heumilch wird Käse wie traditioneller Allgäuer Bergkäse, Kräuterkäse mit Bockshornklee, Bärlauch, Chili und ummantelter Käse mit verschiedenen Blüten hergestellt. Ramona unterstreicht: „Unser Käse ist ein Naturprodukt, beeinflusst durch die Jahreszeit, das Futter wie Heu, Kräuter und das Wetter. Er schmeckt nie exakt gleich und das ist ein Qualitätsmerkmal.“
Die Kühe, die gerade in der Sonne dösen haben alle Hörner, fällt uns auf. „Für uns gehören die Hörner einfach zur Kuh dazu und sind auch Ausdruck der einzigartigen Persönlichkeit jeder Kuh,“ sagt Ramona stolz. Sie erklärt uns, dass Milchprodukte von Kühen mit Hörnern oftmals sogar verträglicher für den Menschen seien, also auch für Allergiker geeignet sein können. Über die Funktion des Horns lernen wir viel dazu. Ramona erzählt uns, dass es viele Funktionen hat. „Die Tiere nutzen sie zur Kommunikation, zur Körperpflege, zur Regulierung der Körpertemperatur und für ihre Schiebekämpfe zum Aushandeln der Rangordnung. Das Horn ist stark durchblutet, nicht wie beispielsweise beim Geweih von Hirschen. Ist es mal kalt, weiß man, dass der Kuh etwas fehlt.“ Die Hörner sind sogar mit der Verdauung verbunden und sie beeinflussen die Milchqualität. Wer schon einmal eine Kuh beim Wiederkäuen beobachtet hat, weiß vielleicht wie wichtig die Verdauung für die Tiere ist.
Bei ihrer Hofführung nimmt Ramona die Besuchenden sogar mit in den Stall. Gespannt steigen wir eine Außentreppe hinauf und schauen jetzt von einem kleinen Balkon in den Stall hinab. Die Kühe fressen, schlafen, lassen sich an einer Maschine massieren – so kann man es aushalten, denken wir.
„Wenn wir die Tiere halten wollen, müssen wir Lösungen suchen, die ihnen gerecht werden.“ Denn ein weiterer Vorteil ist: „Wenn die Kuh möglichst natürlich lebt, ist die Milch auch natürlicher.“
Familie Besler war klar, dass bei einem neuen Stall nur ein Laufstall infrage kommt, in dem die Tiere mehr Bewegungsfreiheit haben. Sie wollten mit dem Neubau auch Arbeitsabläufe und Technik verbessern und für die Tiere einen Wohlfühlfaktor schaffen.
Im neuen Stall können die Tiere sich jetzt nach Belieben frei bewegen oder zurückziehen zum Ausruhen und Verdauen. Sie können sich in die Sonne stellen oder auch abregnen oder „einschneien“ lassen. Sie können ihre Sozialkontakte pflegen, indem sie sich gegenseitig belecken, gemeinsam ausruhen oder nebeneinander fressen – oder eben auch Abstand nehmen zu den anderen. Der neue Stall ist im Vergleich sehr viel heller und luftiger. Das Licht ist gut für die Stimmung der Tiere und auch für die Gesundheit, z.B. für die Fruchtbarkeit.
Das bunte Treiben und die gleichzeitige Ruhe im Stall beeindrucken uns. Es ist immer was los, wir beobachten von oben alles ganz genau. Eine Kuh hat bereits rausgefunden, wie sie die automatische Futterausgabe trotz Tracking über ihr Halsband austricksen kann – ganz schön clever die Kühe bei Beslers!
Vor dem Umzug in den neuen Stall gab es auch Zweifel und Sorgen, wie immer, wenn eine große Veränderung ansteht und man etwas Neues wagt, so Ramona über die Zeit zuvor. „Aber die jahrelange Planung hat sich gelohnt und unsere Kühe haben ihr gesteigertes Wohlbefinden gleich gezeigt, indem sie ohne Veränderung der Fütterung mehr Milch als im alten Gebäude gegeben haben. Dazu muss man wissen, dass die Milchleistung beispielsweise sofort sinkt, wenn Tiere krank werden oder Stress haben.“
Es gibt einige Dinge zu beachten, wenn man einen Laufstall für Kühe mit Hörnern baut. Zum Beispiel, dass es keine Sackgassen gibt, extra breite Laufgänge, damit die Tiere sich ausweichen können, und auf jeden Fall genug Platz auch zum Ausruhen und mit genügend Abstand fressen. Das Eingliedern neuer Kühe in die Herde und genaues Beobachten der Stimmung, um Verletzungsgefahr einzugrenzen, erfordert außerdem viel Feingefühl für die eigenen Tiere.
Die Investition in solch einen Stall ist sehr hoch, so werden weniger Tiere gehalten und die Betreuung der Herde ist aufwendiger. „Aus diesem Grund müssen Hornmilch- bzw. Tierwohlprodukte teurer sein.“ meint Ramona.
Auf dem Rückweg vom Stall sehen wir noch Kälbchen, die von uns mit einem „Oh sind die süß!“ begrüßt werden. Mit großen Kulleraugen schauen uns die Kälbchen hinterher. Für die anderen Kühe geht es jetzt raus auf die Wiese – jetzt kommt Action ins Spiel! Nur für uns. Denn die Kühe sind die Ruhe selbst. Gemächlich trotten sie in Richtung ihrer Weide, sie kennen den Weg. Von hier sehen wir auch nochmal das Gründach auf dem Stall. Vorhin hat Ramona erklärt, dass es für eine gute Klimatisierung im Stall sorgt. Es hält die Wärme besser im Winter und schützt vor Hitze im Sommer. Den 50 Milchkühen schauen wir eine Weile beim Grasen zu.
Nach dem Abschied von den Kühen und auf dem Weg zurück zum Hof kündigt Ramona an, dass wir gleich auch etwas vom Käse und der Wurst probieren dürfen. Wir können es kaum erwarten.
Im Gespräch erfahren wir, dass vor allem der Spagat zwischen den Idealen und der Wirtschaftlichkeit eine Herausforderung ist, wozu Bürokratie, Verordnungen und auch der heutige veränderte Blick und der abnehmende Kontakt der Gesellschaft zur Landwirtschaft zählen. Letzteres merkt die Familie bei ihrer täglichen Arbeit: „So kommt es vor, dass man manchmal verachtende Blicke abbekommt, wenn man am Gülle fahren ist. Wobei wir doch froh sind, dass wir keinen Kunstdünger kaufen müssen, sondern im Kreislauf unseren eigenen Dünger haben. Oder das Tiere abhauen, weil Leute auf der Alpe die Weidegatter offenstehen lassen. Oder Hundekot und Schutt auf den Weiden, die unsere Tiere krankmachen.“ Wir merken, es ist keine leichte Aufgabe und bewundern die Familie und alle anderen Landwirtinnen und Landwirte für ihr Tun und ihren Mut.
„Das war auch ein Grund für mich mit den Kuhpatenschaften und den Hofführungen zu beginnen. Es ist mir wichtig, wieder mehr Menschen in Kontakt mit der Landwirtschaft zu bringen und in einen Austausch zu kommen.“
Die Idee hinter den Kuhpatenschaften ist es, die Menschen wieder mehr in direkten Kontakt mit der Landwirtschaft zu bringen und in einen Austausch zu kommen. Hier im Oberallgäu haben die meisten Kühe in den allermeisten Betrieben tatsächlich noch Namen. „Es ist ihnen und uns wichtig zu zeigen, dass wir sehr viel Wertschätzung für unsere Tiere empfinden, auch wenn wir sie zur Produktion von Lebensmitteln bei uns haben“, unterstreicht Ramona und nennt uns ein paar Namen ihrer Kühe.
Man kann bei Beslers für ein Jahr eine Patenschaft für eine der Milchkühe abschließen und bekommt dann zwei Mal im Jahr ein Genusspaket mit leckerem Käse. „Einmal im Monat schreibe ich auch einen „Kuhsletter“ und erzähle den Paten darin was grade so bei uns am Hof passiert und was uns beschäftigt. Diesen engen Kontakt und das Nah dran sein schätzen die Menschen sehr.“
Den Käse, den wir in der Zwischenzeit auf der Terrasse mit Blick auf den Stall probieren schmeckt vorzüglich. Mit den Informationen von heute noch einmal mehr etwas ganz besonders.
Ramona freut sich, dass sie über ihre Kunden und Kuhpaten so auch viel Wertschätzung für ihre Arbeit bekommen: „Das tut gut!“
Man spürt es, hier werden Pläne geschmiedet und an Visionen gefeilt. „Die Leidenschaft zur Landwirtschaft ist unabdinglich. Ich glaube ich habe von meinen Schwiegereltern gelernt, dass Mut und Vertrauen ganz wichtig sind. Sie sind schon oft andere oder ihre eigenen Wege gegangen und haben über ihren eigenen Horizont geschaut.“
Generell, sagt sie, sei es an der Zeit mehr zusammenzuarbeiten, auch wieder unter den Betrieben. Sie plädiert für mehr Kooperation statt Konkurrenz. Für die Zukunft wünscht die Landwirtin sich in allen Ebenen wieder mehr Austausch, Offenheit und Wertschätzung für die Landwirtschaft und für die Lebensmittel, die hier regional erzeugt werden. „Es wäre schön, wenn noch mehr Menschen darauf achten, wo und wie ihre Lebensmittel erzeugt werden und wenn möglich auch direkt beim Erzeuger einkaufen.“ Das erfordert auch, dass wieder mehr Menschen in Kreisläufen denken und sich als Teil der Natur verstehen und wieder mehr Acht auf unsere Natur geben.
Bei ihren Produkten spielt Ramona mit dem Gedanken einen Ammenkuhkäse anzubieten. „Das ist unser normaler Bergkäse, der das mehr kostet, was wir bräuchten um unsere Kälberhaltung auf Ammenkuhaltung umzustellen. Je mehr Ammenkuhkäse wir verkaufen, umso mehr Ammenkälber können wir aufziehen.“
Den wertvollen Kontakt und das Projekt der Kuhpaten möchte Ramona ebenfalls ausbauen: „Ich würde gerne auch mal Tage organisieren, wo man mal gemeinsam am Hof anpackt, zum Beispiel beim Ampferstechen.“
Wir sind gespannt, was die Zukunft bringt, bedanken uns für die spannenden Eindrücke und freuen uns auf den nächsten Besuch in Schwand!
Die Alchemie der Kühe – wie unsere Milchkühe Bergwiesen in weißes Gold verwandeln. Wie wird aus Gras Milch? Warum haben Kühe Hörner? Was macht Sonnencreme im Tränketrog? All das und mehr erfährst Du bei einer spannenden Hofführung.