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Donnerstag, 26.09.2019
Landwirte Oberstdorfs & deren Ortsteile

Das Allgäuer Braunvieh

Einem Mann namens Karl Hirnbein ist es vorrangig zu verdanken, dass bei uns im Allgäu seit dem 19. Jahrhundert die Milchwirtschaft einen so hohen Stellenwert hat.

Noch im 18. Jahrhundert lebten die meisten Bewohner des Allgäus von der Weberei und dem Flachsanbau (Lein).

Die Geschäfte liefen nicht mehr, die Konkurrenz aus anderen Landesteilen war zu groß und eine wirtschaftliche Not brach über das Land herein. Karl Hirnbein suchte einen Ausweg aus der Notlage. Käsereien und Sennalpen wurden gegründet und aus dem ehemaligen "Blauen Allgäu" wurde nun das "Grüne Allgäu". Die damals gezüchteten Tiere der Rasse "Allgäuer Braunvieh" entsprachen noch dem Urtyp dieser Rasse (kleine, kräftige, robuste Tiere).

Heutzutage haben die meisten der nunmehr gezüchteten Tiere das Blut amerikanischer Zuchtlinien in sich. Von diesen Kreuzungen versprach man sich eine noch bessere Milch- und Mastleistung. Reinrassige Allgäuer Braunviehtiere existieren noch einige hundert. Um diese Zuchtlinie nicht aussterben zu lassen, wird diese in besonderen Zuchtprogrammen zusätzlich gefördert und wieder reinrassig gezüchtet.

Das Braunvieh hat seine Hauptverbreitung im süddeutschen Voralpengebiet, der viehstärksten Gegend Deutschlands. Insgesamt umfasst die Gesamtpopulation 670.000 Stück, darunter ca. 340.000 Milchkühe.

Diese Rasse zeichnet sich aus durch ihre hervorragende Anpassungsfähigkeit an verschiedene Klimaregionen, die hervorzuhebende Langlebigkeit und die hohe Lebensleistung an Milch. Aufgrund der Robustheit dieser Rasse (kräftige Tiere mit harten Klauen) wird sie bevorzugt in unseren Breitengraden gehalten.

Das Jungvieh (Jungtiere bis zur ersten Kalbung) verbringt den Sommer (Juni/Juli bis September) auf den umliegenden Alpen. Hier erhalten diese Tiere bestes Berggras mit den entsprechenden Kräutern. Mancher mag sich fragen, warum die geälpten Tiere sog. Weideschellen (Glocken) tragen. Diese Frage ist ganz einfach zu beantworten. Der Hirte hört schon am Klang der Schelle, wohin sich einzelne Tiere der Herde entfernt haben, kann diese leichter orten und zurückholen. Viele Hirten erkennen diverse Tiere sogar am Klang einer einzelnen Schelle. Im Herbst werden die verschiedenen Jungviehalpen in Oberstdorf und Schöllang zum Abschluss der Bergsaison auf dem Viehscheid erwartet. Dieser Tag ist für Bauern wie auch Hirten ein Festtag. Zu diesem Anlass werden die Jungtiere mit großen Zugschellen (große Glocken) geschmückt. Jede Herde (Alpe), welche im vergangenen Bergsommer keinen Verlust zu verzeichnen hatte, wird von einem Kranzrind angeführt. Dieses Rind wird noch zusätzlich durch einen prachtvoll gebundenen Kranz geschmückt. Die Älpung der Jungtiere ist ein wesentlicher Baustein in der Entwicklung des Tieres, bis es mit der ersten Kalbung zum ersten Mal gemolken wird.

Die Braunviehkuh wird zwischen 1,40 m und 1,50 m groß und erreicht ein Gewicht von 600 bis 850 kg. Bei der Braunviehzucht wird besonderer Wert auf die Inhaltsstoffe der Milch (vorrangig Eiweißgehalt), gute Melkbarkeit, regelmäßige Fruchtbarkeit und eine hohe Langlebigkeit gelegt. Ein Landwirt erwartet von einer guten Durchschnittskuh ab dem dritten Lebensjahr jährlich ein Kalb und entsprechend 5.000 bis 6.000 Liter Milch mit ca. 4% Fett- und 3,5% Eiweißgehalt. Hierzu muß man wissen, daß eine Kuh ca. 10 bis 11 Monate 2 x täglich Milch gibt. 6 bis 8 Wochen vor der nächsten Kalbung wird das tragende Tier trocken gestellt, d.h. die Kuh wird nicht mehr gemolken, die Milchproduktion wird durch das Tier eingestellt. Kurz vor dem Trockenstellen nimmt die Milchleistung in der Regel naturgemäß automatisch ab.

In diesen 6-8 Wochen soll sich die Kuh erholen, an Gewicht etwas zulegen und sich körperlich auf die Geburt meistens eines Kalbes (Zwillingsgeburten sind seltener) vorbereiten. Allgemein nicht bekannt ist, dass eine Kuh regelmäßig (alle 1 bis 1 1/2 Jahre) ein Kalb zur Welt bringt. Wäre dies nicht der Fall, gäbe die Kuh nicht genügend Milch und die Einnahmen des Landwirtes wären nicht mehr gesichert.

Wegen der ohnehin schlechten Milchpreise, welche durch die milchverarbeitenden Betriebe an unsere Bauern ausbezahlt werden, ist es den meisten Bauern auch nicht möglich, die Landwirtschaft im Vollerwerb zu betreiben. Die meisten Höfe in unserer Gegend werden im Nebenerwerb betrieben, d.h. die Einnahmen aus der Landwirtschaft sind als Zweiteinkommen zu sehen, der Landwirt geht noch einer weiteren Erwerbstätigkeit nach.

In Oberstdorf und dem Kleinwalsertal vermieten über 80 % der Landwirte Ferienwohnungen und Gästezimmer an Feriengäste. Sehr beliebt ist hier der Urlaub auf dem Bauernhof. Für Erwachsene und Kinder ein unvergessliches Erlebnis. Mit etwas Glück kann der Gast vielleicht sogar die Geburt eines Kalbes miterleben.

Nach einer Tragzeit von ca. 9 Monaten und 10 Tagen bringen Kühe ihre Kälber auf die Welt. Meistens ist der Bauer anwesend und greift, - wenn nötig - helfend ein. In der Regel gibt es bei der Allgäuer Braunviehrasse keine Komplikationen während der Kalbung. Das Neugeborene erhält sofort nach der Geburt die sog. Biestmilch. Diese nach dem Trockenstellen erstmals durch die Kuh wieder produzierte Milch ist meist zähflüssig und ähnelt einem Kakaotrunk. Diese erste Milch ist für das neugeborene Kalb lebensnotwendig, da das Immunsystem gestärkt wird. Abhängig von der Milchleistung und der Gesundheit der Mutterkuh und der guten Vererbung des Vatertieres (Stier) entscheidet der Landwirt, ob das Kalb als Zucht- oder Masttier aufgestellt wird.

Im ersten Lebensjahr bezeichnet man ein Jungtier als Kalb, im zweiten ein weibliches als Kalbin und im dritten (ab der 1. Trächtigkeit) als Rind. Vielfach wird diese Rasse in der Mutterkuhhaltung eingesetzt, d.h. der Landwirt lässt seine Kuh kalben und belässt das Kalb bei seiner Mutter. Diese extensive Viehhaltung bringt für den Landwirt viele Vorteile mit sich. Zunächst muß das Muttertier nicht mehr täglich zweimal gemolken werden und im Sommer können die Tiere Tag und Nacht auf geeigneten Viehweiden mit Baumbestand oder sonstigen Unterständen gehalten werden. Die durch diese Viehhaltung gewährten staatlichen Zuschüsse sind für den Landwirt nicht uninteressant. Der Absatzmarkt für das produzierte Biofleisch ist gesichert und der Landwirt kann diese Form der Hofbewirtschaftung bestens im Nebenerwerb betreiben.

Im Durchschnitt beträgt das Abgangsalter einer Kuh 6,7 Jahre. Allerdings ist hervorzuheben, dass ca. 38% des Milchviehbestandes in unserem Raum über 6 Jahre alt ist, d.h. das Allgäuer Braunvieh hat die längste Nutzungsdauer aller Intensivrassen in Deutschland.Die hiesigen Bauern kennen jedes ihrer Tiere beim Namen, mit allen seinen Schwächen (nicht leistungsbezogen). Daher herrscht meist auch eine enge Beziehung zwischen Mensch und Tier. So mancher Landwirt muss sich eine Träne verkneifen, wenn eine Kuh nach 10 Jahren und mehr den heimatlichen Stall für immer verlassen muss. Wenn auch selten, es gibt Landwirte, welche einem Tier im Stall (alle wirtschaftlichen Aspekte außer Acht gelassen) das Gnadenbrot gewähren. Dies alles sind Gründe warum ca. 33% der Nachzuchten in das Ausland exportiert werden. Dort werden mit diesen Tieren neue Zuchtgruppen zusammengestellt.

Die meisten dieser positiven Aspekte für diese Rasse sind sicher auf die verantwortungsbewußte Bewirtschaftung der Höfe im Allgäu zurückzuführen. Natürlich steht bei dieser Rasse die Milchleistung im Vordergrund, allerdings wird ein sehr großer Augenmerk auch auf die Gesundheit und somit auf die lange Nutzungszeit (Langlebigkeit) gelegt. Durchschnittlich hält ein Landwirt bei uns 10-15 Milchkühe, was weit unter dem deutschen Bundesdurchschnitt liegt. Durch die immer mehr voran getriebene Globalisierung und die Orientierung am Weltmarkt können die Milch und Fleischpreise nur mühsam gehalten werden.
Es ist zu wünschen, dass möglichst viele der noch bestehenden Kleinbetriebe durchhalten können und vielleicht wieder bessere Zeiten auf sie zukommen.

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